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Chinas Anti-Spionage-Gesetz 

Gefahr für die Arzneimittelversorgung in Deutschland 

Ein neues chinesisches Anti-Spionage-Gesetz könnte zu  einer ernsten Bedrohung der Arzneimittelversorgung in Deutschland werden. Das zeigt eine Recherche des »Handelsblatts«.
Lukas Brockfeld
12.04.2024  10:30 Uhr

Europa braucht mehr Autonomie in der Produktion von Arzneimitteln – spätestens seit die Coronavirus-Pandemie die globalen Lieferketten erheblich gestört hat, ist diese Losung in aller Munde. Eine Recherche des »Handelsblatts« zeigt jetzt, wie problematisch die Abhängigkeit von chinesischen Pharmaunternehmen ist. Ein neues Anti-Spionage-Gesetz könnte zur ernsten Gefahr für die Arzneimittelversorgung in Deutschland werden. 

Inspekteurinnen und Inspekteure deutscher Behörden reisen regelmäßig in das Reich der Mitte, um die dortige Herstellung von Medikamenten zu prüfen. Dafür fordern sie Dokumente an, inspizieren die Produktionsabläufe und sprechen mit den Verantwortlichen. Wenn alles in Ordnung ist, stellen sie ein sogenanntes GMP-Zertifikat aus, das es deutschen Unternehmen erlaubt, Arzneimittel und Wirkstoffe eines ausländischen Produzenten zu importieren. 

Angst vor Verhaftungen  

Im vergangenen Jahr wurde in China ein neues Anti-Spionage-Gesetz erlassen. Die Vorschriften sind sehr vage, sodass jegliche Informationsbeschaffung unter Strafe gestellt werden kann. Nach den Recherchen des »Handelsblatts« wollen viele deutsche Inspekteure nicht mehr in die Volksrepublik reisen, da sie eine Festnahme fürchten. Die deutschen Behörden seien daher nicht mehr in der Lage, die GMP-Zertifikate auszustellen. 

Das sei besonders problematisch, da die Inspekteure schon während der Corona-Pandemie nicht nach China reisen konnten. Deshalb wurden alle Zertifikate pauschal verlängert. Doch diese Verlängerungen laufen zum Jahresende aus. Die Mitarbeitenden der deutschen Behörden müssten im Augenblick eigentlich jeden Tag in der Volksrepublik arbeiten, um diesen Rückstau aufzuholen. 

China gehört zu den wichtigsten Arzneimittelproduzenten der Welt, Deutschland importiert vor allem Schmerzmittel und Antibiotika aus dem ostasiatischen Land. Vertreter der Volksrepublik betonen, dass niemand in Gefahr sei, der sich an die Gesetze halte. Allerdings sind die Regeln des Spionagegesetztes nach Einschätzung vieler Experten absichtlich vage gehalten. Vor Kurzem wurde ein Mitarbeiter des japanischen Arzneimittelherstellers »Astellas« wegen Spionage-Vorwürfen in China festgenommen.

Am Samstag will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach China reisen und sich dort unter anderem mit Staatschef Xi Jinping treffen. Schon im März hatte der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) den Kanzler darum gebeten, das Thema in Peking anzusprechen und eine Lösung zu finden. Der Verband wünscht sich einen sogenannten »Letter of Intent«. In diesem würde die chinesische Regierung klarstellen, dass die im Rahmen der GMP-Inspektionen gesammelten Informationen nicht unter das Anti-Spionage-Gesetz fallen.

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