Cornel Rikhotso betritt den klimatisierten Seitenflügel eines Shoppingcenters im Township Alexandra. Dort stehen nebeneinander vier große Automaten mit Display, Kartenschlitz und Ausgabefach, Rikhotso entscheidet sich für den zweiten von links. Er zieht eine Chipkarte aus seiner Hosentasche und schiebt sie in das blinkende Gerät. Eine Apothekerin in grünem Kittel erscheint auf dem Display. "Sie sprechen mit Johanna", sagt die Frau, die live zugeschaltet ist. "Ich helfe Ihnen dabei, Ihre Medikamente zu bekommen." Nach einem Datenabgleich fragt sie Rikhotso nach aktuellen Beschwerden. "Alles in Ordnung", antwortet er. Johanna tippt auf ihrer Tastatur, auf der anderen Seite des Automaten setzt sich ein elektronischer Greifarm in Bewegung und nimmt eine kleine Dose mit 28 Pillen Atroiza auf, die kurz darauf klappernd in der Ausgabe landet. Denn Rikhotso zieht kein Bargeld – sondern ein lebenswichtiges Medikament.

Der 50-Jährige ist einer von 600.000 Menschen, die im Großraum Johannesburg mit HIV leben. In ganz Südafrika sind es 7,5 Millionen, kein Land der Welt hat mehr Infizierte. Atroiza ist eine Kombination von Mitteln, die das Virus zurückdrängt und den Patientinnen und Patienten bei regelmäßiger Einnahme ein weitgehend normales Leben ermöglichen kann – wenn sie denn an die Pillen kommen. Zwar stellt der südafrikanische Staat seit 2004 allen Betroffenen kostenlos HIV-Medikamente zur Verfügung. Aber das heißt noch lange nicht, dass diese die Kranken auch erreichen (siehe Infobox). 44 Prozent der mit HIV infizierten Menschen in Südafrika nehmen keine oder zu unregelmäßig Medikamente. Einer der Hauptgründe: Das Gesundheitssystem ist chronisch überlastet, es gibt zu viele Betroffene, zu wenig Apotheken, Kliniken, Ärztinnen und Ärzte.

Ihnen allen sollen die neuen Automaten Arbeit abnehmen. Ob die Geräte eine kleine Verbesserung oder – wie auf der Glasscheibe der Automatenapotheke prangt – "die große Innovation im Gesundheitswesen" sind, muss sich erst zeigen. Rikhotso zumindest ist begeistert: "Das hat keine fünf Minuten gedauert. Echt unglaublich, wie Geld abheben in der Bank." Bislang holte er seine Medikamente immer in der öffentlichen Fachklinik, in die er auch jetzt noch alle sechs Monate zur Kontrolle der Blutwerte muss. Für den Weg zum Krankenhaus musste Rikhotso dabei stets einen ganzen Tag frei nehmen und auf sein Gehalt verzichten. Ab halb vier Uhr morgens stellte er sich für mehrere Stunden im überfüllten Wartesaal an und kam meist erst am Nachmittag wieder heraus. Der Andrang war so groß, dass einige Patienten am nächsten Tag wiederkommen mussten. Und manche eben gar nicht mehr auftauchten.

Cornel Rikhotso nimmt seit 2006 kontinuierlich Medikamente gegen HIV. Als einer der ersten Patienten testet er die Apothekenautomaten. © David Ehl

Während Rikhotso seine Tabletten einsteckt, füllt der Apotheker Tafirenyika Chinamhora auf der Rückseite einen silbergrauen Medikamentenschrank mit neuen Pillendosen auf. Bislang hat Chinamhora in einer Krankenhausapotheke gearbeitet, wo Patienten wie Rikhotso oft stundenlang warten mussten. Jetzt betreut er eine der fünf Automatenapotheken im Raum Johannesburg, die die Nichtregierungsorganisation Right to Care gerade testet und, falls erfolgreich, flächendeckend ins ganze Land bringen will.

Zwei Millionen südafrikanische Rand koste jedes der Geräte, erklärt Chinamhora. Das sind rund 140.000 Euro. Der Hersteller der Automaten, die deutsche Firma Mach4, teilt mit, dass der Preis durch die Produktion hoher Stückzahlen reduziert werden könne. Wie stark, sei allerdings noch unklar.

Die Einführung in ländlichen Regionen ist "kaum umsetzbar"

Experten begrüßen die neuen Automaten, haben aber auch Bedenken. "Die automatisierten Apotheken können klar dabei helfen, das Flaschenhals-Problem in den Kliniken zu lösen", sagt Linsey Schluter, Sprecherin der Nichtregierungsorganisation TB HIV Care, die über Tuberkulose und HIV aufklärt. In Ballungsgebieten könnten das Gesundheitssystem und die Patientinnen und Patienten entlastet werden. Doch für eine flächendeckende Versorgung sei das Automatenprojekt nicht geeignet.

"Im ländlichen Raum ist die Errichtung allein aufgrund der Infrastruktur kaum umsetzbar", sagt Schluter. Neben dem hohen Stückpreis könnten dort zudem die Wartung und das regelmäßige Befüllen problematisch werden. Und damit die Medikamente korrekt gelagert und ausgegeben werden können, müssen die Automaten permanent mit Strom und Internetzugang versorgt sein – das sei in abgelegenen Regionen einfach nicht machbar.