Gesundheit:Pflegebeitrag wird erneut steigen müssen

Pflege

Bis zum Jahr 2045 werden neuen Berechnungen zufolge fünf Millionen Menschen in Deutschland Pflege benötigen.

(Foto: dpa)
  • Die Beiträge zur Pflegeversicherung sind gerade erst gestiegen - müssen in wenigen Jahren allerdings erneut erhöht werden.
  • Der Grund: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, gleichzeitig sinkt die Zahl der Kinder und immer seltener leben alle Generationen gemeinsam unter einem Dach.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Seit Beginn dieses Jahres sind die Beiträge zur Pflegeversicherung gestiegen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich jetzt einen Beitrag von 3,05 Prozent des Bruttolohns - 0,5 Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. Doch auch dieser neue Beitrag wird in einigen Jahren nicht mehr ausreichen, um die wachsenden Kosten der alternden Gesellschaft zu decken. Eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, zeigt, dass der Beitrag in sechs Jahren wieder erhöht werden muss. Zwischen den Jahren 2025 und 2045 wird der Beitrag auf 4,25 Prozent steigen müssen, errechneten die Wissenschaftler des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos. Bei einem heutigen Durchschnittseinkommen von 3771 Euro brutto wären das im Monat mehr als 45 Euro zusätzlich.

In ihrer Analyse gehen die Forscher davon aus, dass bis zum Jahr 2045 fünf Millionen Menschen in Deutschland Pflege benötigen werden. Im Jahr 2017 waren es erst 3,3 Millionen Hilfsbedürftige. Zugleich werden in den kommenden Jahren aber immer weniger Familien für ihre alternden Angehörigen sorgen können: Die Zahl der Kinder sinkt, immer mehr Frauen arbeiten, statt sich um ihre Eltern zu kümmern, und immer seltener leben alle Generationen gemeinsam unter einem Dach. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, werden im Jahr 2045 rund 28 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Altenheimen leben.

Zu den teuersten Entwicklungen, die auf die Versichertengemeinschaft zukommen, gehören deshalb auch die Löhne der Pflegerinnen und Pfleger. Die Forscher haben sich in ihrer Prognose am voraussichtlichen Bruttoinlandsprodukt der kommenden Jahre orientiert. Diese Kostenentwicklung sei jedoch "nicht vollständig", heißt es in der Studie. Schließlich arbeiten Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Arbeitsminister Hubertus Heil und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) gerade gemeinsam mit Pflegeverbänden, Kirchen und Gewerkschaften daran, für Altenpfleger künftig einen flächendeckenden Tariflohn einzuführen. So wichtig eine bessere Bezahlung für die Angestellten ist - so teuer wird sie für die Versicherten. Genauso wie die Beiträge zur Pflegeversicherung könnten deshalb langfristig auch die Zuzahlungen für Familien zu den Pflegeheimen steigen.

Auf längere Sicht, sagt Stefan Etgeton von der Bertelsmann-Stiftung, sei die Versorgung der Pflegebedürftigen nicht sicher. Zumindest, "wenn es bei den Rahmenbedingungen bleibt, die wir heute haben". Bald müsse die Politik deshalb über neue Finanzierungsmodelle für Pflege in Deutschland nachdenken - zum Beispiel über Steuergeld.

Kosten für Hilfsbedürftige sind seit 1995 kontinuierlich gestiegen

Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung versucht, den Konflikt zwischen steigenden Beiträgen für die Pflegeversicherung auf der einen Seite und Personalnot in den Heimen andererseits durch einen Kniff zu lösen: Die Koalition schuf 13 000 zusätzliche Stellen in den Pflegeheimen - allerdings aus Mitteln der Krankenkassen und nicht der Pflegeversicherung. Denn die Töpfe der Krankenversicherungen sind zurzeit gut gefüllt. Und die Kassen übernehmen die Kosten - anders als die Pflegeversicherung - vollständig. Familien müssen also nichts zuzahlen.

Bereits seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 sind die Kosten für Hilfsbedürftige kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2017 waren die Gesamtausgaben mit 38,5 Milliarden Euro zweieinhalb Mal so hoch wie zehn Jahre zuvor. Der Beitrag zur Pflegeversicherung lag im Jahr ihrer Einführung bei gerade einmal einem Prozent des Bruttolohns.

Jens Spahns Amtsvorgänger Hermann Gröhe (CDU) hatte zuletzt weitere teure Pflegereformen auf den Weg gebracht. Nun haben auch Menschen mit kognitiven Erkrankungen, also vor allem Demenzkranke, einen besseren Zugang zu den Pflegeleistungen. Durch diese Veränderungen ist die Anzahl der Pflegebedürftigen im Jahr 2017 noch einmal sprunghaft angestiegen.

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