Header
 
Login
 

Privatsphäre-Einstellungen

Wir verwenden Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind unerlässlich, während andere uns helfen, diese Website und Ihre Erfahrungen zu verbessern.

Notwendig Statistik Marketing
Auswahl bestätigen
Weitere Einstellungen

Hier finden Sie eine Übersicht aller verwendeten Cookies. Sie können ganzen Kategorien Ihre Zustimmung geben oder weitere Informationen anzeigen und bestimmte Cookies auswählen.

Alle auswählen
Auswahl bestätigen
Notwendig Cookies
Wesentliche Cookies ermöglichen grundlegende Funktionen und sind für die ordnungsgemäße Funktion der Website erforderlich.
Statistik Cookies
Statistik-Cookies sammeln anonym Informationen. Diese Informationen helfen uns zu verstehen, wie unsere Besucher unsere Website nutzen.
Marketing Cookies
Marketing-Cookies werden von Werbekunden oder Publishern von Drittanbietern verwendet, um personalisierte Anzeigen zu schalten. Sie tun dies, indem sie Besucher über Websites hinweg verfolgen
Zurück

    Referenzpreissystem bei Medikamenten

    Politisch heiße Phase eingeläutet

    Statements der Verbände

    Dr. Axel Müller · Geschäftsführer des schweizerischen Verbands Intergenerika
    Dr. Axel Müller

    Bei der Eindämmung der dynamisch steigenden Gesundheitskosten sind alle Akteure im schweizerischen Gesundheitssystem zur Mithilfe aufgefordert. Bei den zu treffenden Maßnahmen scheiden sich jedoch die Geister. So war auch 2018 das v. a. von den Krankenkassen geforderte Referenzpreissystem bei Medikamenten in der öffentlichen Debatte ein Dauerbrenner. Der Widerstand seitens der Referenzpreisgegner hat sich unterdessen ebenfalls verschärft. Jetzt liegen Vorschläge vom Bundesrat auf dem Tisch.

    Umstrittenen Vorschlägen fehlt demokratische Legitimierung

    Seit diesem Herbst läuft die Vernehmlassung zum ersten Paket der Kostensenkungsmaßnahmen. Ein Teil der Maßnahmen ist das Referenzpreissystem bei patentabgelaufenen Arzneimitteln. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat 2 Modelle in die Vernehmlassung gegeben, welche die breite Allianz aus den führenden Akteuren des Gesundheitssystems „Nein zu Referenzpreisen bei Medikamenten“ aus vielerlei Gründen ablehnt. Die Modelle, so argumentieren die Referenzpreisgegner unter meiner Führung als Schirmherr der Allianz, schränken die Wahlfreiheit der Ärzte, Patienten und Leistungserbringer erheblich ein. Zudem führen sie nur zu marginalen Prämiensenkungen, die vom Versicherten kaum wahrgenommen werden. Aus politischer Sicht zudem höchst brisant: Die vorgesehenen Änderungen im Krankenversicherungsgesetz (KVG) lassen nicht nur viele Fragen offen – die entsprechenden Detailregelungen in den Verordnungen würden nicht durch das übergeordnete Gesetz abgedeckt sein. Es fehlt also die demokratische Legitimierung!

    Höchst unsoziale Politik

    Die Patienten wären zweifellos die großen Verlierer in diesem System mit dessen durch und durch unsozialen Folgen. Sie müssten erhebliche Einbußen hinnehmen und ihre Wahlfreiheit würde empfindlich eingeschränkt werden. Je nach Wahl des Arzneimittels wären Zuzahlungen fällig, da die Versicherer nur noch bestimmte Arzneimittel vergüten müssten. Langzeitpatienten würden mit häufigen Medikamentenwechseln konfrontiert werden, wenn die Wirkstoffpreise in kurzen Abständen überprüft und angepasst werden und die Versicherer nur das günstigste Arzneimittel vergüten. Dass solche häufigen Medikamentenwechsel insbesondere bei Dauertherapie die Therapietreue (Compliance) negativ beeinflussen, ist hinlänglich bekannt. Langfristig resultieren daraus höhere Kosten für die Obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP), weil sich die Krankheiten bei fehlender Compliance oder ungenügender Behandlung verschlimmern. Im Ergebnis würden gesunde Versicherte bei den Krankenkassenprämien zwar marginal entlastet, Patienten jedoch müssten mehr bezahlen, zusätzlich zu ihren neben Franchisen und Selbstbehalt im internationalen Vergleich eh schon sehr hohen „Out-of-Pocket“-Zahlungen. Kurzum – bei einem Referenzpreissystem wären die Schweizer Patienten in zweierlei Hinsicht die Verlierer – aufgrund von Einbußen bei der Qualität der Gesundheitsleistungen und den höheren finanziellen Belastungen.

    Massive Nachteile für Ärzte und Apotheker

    Nicht nur die Patienten hätten bei einem Referenzpreissystem das Nachsehen, auch auf die Fachpersonen kämen inakzeptable Folgen zu. Um allen Patienten das für sie jeweils vergütete Medikament abgeben zu können, müssten Apotheker und selbstdispensierende Ärzte (SD-Ärzte) stets sämtliche Generika auf Lager haben. Dies ist für Apotheken nur schwer möglich, für SD-Ärzte dürfte es nahezu unmöglich sein. Die regelmäßigen Preissenkungen werden bei den Leistungserbringern zudem immer wieder zu Lagerverlusten führen. Dies würde zur Folge haben, dass gerade SD-Ärzte keine oder nur wenige Generika im Lager halten und diese verschreiben werden. Die Patienten würden in der Folge vermehrt Zuzahlungen leisten müssen, sollten sie nicht auf das billigste Medikament wechseln wollen. Die Komplexität und Bürokratie würde die von Zeitmangel ohnehin schon geplagten Fachpersonen weiter belasten. Apropos Bürokratie – der Bundesrat plant die Schaffung von zig neuen Stellen, um das Bürokratiemonster „Referenzpreise“ bewältigen zu können. Eine bittere Ironie angesichts der Kürzung von Stellung, die in der Industrie bevorstünden.

    Massive Gefährdung der Versorgungssicherheit

    Damit nicht genug. Beide Modelle – so ist einer der zentralen Kritikpunkte der Allianz – gefährden die Versorgungssicherheit, weil die sinkenden Preise zu tieferen Erträgen bei den Herstellern führen. Diese würden wiederum mit reduzierten Dienstleistungen und kleineren Lagern reagieren müssen, was vermehrte Lieferschwierigkeiten zur Folge hätte. Bereits jetzt bestehen in der an Vollversorgung gewöhnten Schweiz immer mehr Lieferengpässe. Nur ein Beispiel: Laut eines Berichts der Sonntagszeitung vom 22. Juli 2018 waren im Universitätsspital Basel 2010 „nur“ 143 Präparate von Lieferengpässen betroffen, 2013 waren es schon 310 Engpässe. Diese Engpässe haben sich seitdem verschärft, was man auf der Webseite der Zulassungsbehörde swissmedic jederzeit ersehen kann.

    Circulus vitiosus schwächt Standort

    Dieser jetzt schon kritische Zustand würde sich durch ein Referenzpreissystem weiter drastisch verschärfen. Mit den beiden vom BAG vorgestellten Modellen würden kostengünstige Generika und Biosimilars nach der erneuten, unverhältnismäßig hohen Preissenkung vermehrt vom Markt zurückgezogen werden. Häufigere Lieferengpässe in der Grundversorgung der Schweizer Patienten bei den noch verbleibenden Produkten wären die Folge. Damit würde die Generikaindustrie insgesamt geschwächt und der Anteil an Generika und Biosimilars zurückgehen – eine Konsequenz, die dem Willen von Politik und Konsumenten entgegenläuft. Beide wollen Generika und Biosimilars fördern. Die Versorgungssicherheit würde auch deshalb gefährdet werden, weil sich die Hersteller angesichts der stark gesenkten Preise auf weniger Produkte konzentrieren müssten und keine Zusatzleistungen mehr anbieten könnten. Zusätzlich würde die Auswahl an Arzneimitteln kleiner werden.

    Abschreckende Erfahrungen aus dem Ausland

    Dabei sind die negativen Erfahrungen mit Referenzpreis- bzw. Rabattsystemen bekannt. Anlässlich der Konferenz der Academy on Health Care Policy vom 20. Nov. 2018 in Bern warnte die deutsche Apothekerin Dr. Esther Blaumeiser die Teilnehmer angesichts der in Deutschland gemachten Erfahrungen eindringlich vor der Einführung eines Referenzpreissystems in der Schweiz. Ihre Hauptargumente sind fehlende Gewährleistung der Qualität, Verunsicherung des Patienten während der Therapie verbunden mit einem Verlust des Vertrauens. Die Verwechslungsgefahr bei Medikamenten – so die Erfahrungen aus Deutschland – steigt und die Lieferbarkeit von Medikamenten wird immer problematischer.

    Resümee und Ausblick

    Auf Basis der Faktenlage lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb der Bundesrat bei den Sparmaßnahmen den Fokus zuerst auf Generika, dem kleinsten Posten im Gesundheitswesen, legt und sich nicht an die großen Kostenblöcke macht. Denn Generika machen mit einem Umsatz von CHF 1 015 Mio. in 2017 gerade mal 1,3 % der gesamten Gesundheitskosten aus. Unabhängig davon sinken die Generikapreise auch ohne Referenzpreise Jahr für Jahr. Im Hinblick auf die Fülle von Nachteilen und klaren Verdikten in früheren Volksabstimmungen mit ähnlicher Zielrichtung dürfte das Referenzpreissystem unserer Einschätzung nach kaum akzeptiert werden. Frühestens 2020 ist nach einem Referendum und einer Volksabstimmung – der direkten Demokratie sei Dank kann das Volk in der Schweiz direkten Einfluss nehmen – mit einer Entscheidung zu rechnen. Bis dahin herrscht Ungewissheit, was für alle Beteiligten nicht von Vorteil ist.

    Derweil werden wir uns unablässig für den Erhalt des Systems des differenzierten Selbstbehalts und eine Änderung des Anreizsystems bei der Vergabe von Medikamenten stark machen, welches Generika und Biosimilars zukünftig nicht mehr benachteiligt. Und – die auf Qualität bedachte Schweiz sollte den Valsartan-Skandal als Weckruf betrachten und die Repatriierung der momentan ausgelagerten Produktion in Erwägung ziehen. Die Schweiz kann und sollte sich diesen Schritt leisten und nicht unnötige und dilettantische Alibiübungen wie ein Referenzpreissystem durchführen, welche der Bevölkerung und dem Ruf des Landes nachhaltig Schaden zufügen würden.

    Originaldokument