LSD und Ritalin: So verbreitet sind leistungssteigernde Substanzen an Zürcher Hochschulen

Studentinnen und Studenten stehen unter hohem Leistungsdruck. Präsenzzeiten und Prüfungen zwingen sie dazu, geistig stets wach zu sein; erst recht, wenn sie nebenbei noch arbeiten. Das beliebteste Aufputschmittel ist Kaffee – aber auch mit illegalen Substanzen wird experimentiert.

Rebekka Haefeli
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Von Studentinnen und Studenten wird eine gleichbleibend hohe Leistung verlangt – dieser Druck ist nicht immer einfach auszuhalten. (Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

Von Studentinnen und Studenten wird eine gleichbleibend hohe Leistung verlangt – dieser Druck ist nicht immer einfach auszuhalten. (Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

Er sitzt um die Mittagszeit mit einem Sandwich in der Hand auf der Gemüsebrücke. Nimmt einen Biss, blickt über die Limmat in Richtung See. Der gut 40-jährige blonde Mann isst langsam. Wenn er erzählt, dann spricht er leise. Als sich um uns herum immer mehr Leute hinsetzen und ihren Lunch auspacken, bittet er darum, den Platz zu wechseln und eine ruhigere Ecke zu suchen. Er will das Thema nicht vor allen ausbreiten.

Keine Halluzinationen

Der Mann aus Zürich studiert an einer Fachhochschule. Und er steckt mitten in einem Selbstversuch mit LSD-Microdosing. Sein Ziel: fokussierter denken, konzentriert sein, schneller und besser lernen. Und natürlich bessere Noten schreiben. «Das klappt», sagt er. «An den Tagen, an denen ich konsumiert habe, erreiche ich bei Prüfungen stets sehr gute Punktzahlen.»

LSD-Microdosing ist ein neueres Phänomen. Es steht für den Konsum von sehr geringen Dosen LSD, die angeblich die Leistungsfähigkeit, die Kreativität und die Ausdauer steigern sollen. Die Dosierung ist ungefähr zehn- bis zwanzigmal geringer als bei einem bewusstseinserweiternden Trip. Dafür tritt beim LSD-Microdosing keine halluzinogene Wirkung ein.

«Zahlen über die Verbreitung des mikrodosierten Konsums von LSD existieren nicht», sagt Boris Quednow, Pharmakopsychologe an der Universität Zürich. Knapp 4 Prozent der Studierenden an den Unis in Zürich und Basel hätten jedoch in einer Umfrage angegeben, schon einmal mit Methylphenidat zur Steigerung der Leistungsfähigkeit experimentiert zu haben. Methylphenidat wird beispielsweise unter dem Namen Ritalin verkauft und gilt als Wachmacher. Quednow glaubt, dass an den Zürcher Hochschulen nur wenige Studierende regelmässig Stimulanzien wie Ritalin oder LSD einnehmen. «Es kursieren viele Mythen, doch ich denke, die Verbreitung wird massiv überschätzt», sagt er. Der regelmässige Konsum sei ein «absolutes Randphänomen».

«Überschätzte Effekte»

Der Fachmann ist der Ansicht, dass auch die positiven Effekte auf die Leistung überschätzt würden. «Eine Leistungssteigerung über das hinaus, zu was ich als Individuum fähig bin, ist nicht möglich», sagt er. Eine Substanz wie Methylphenidat könne immer nur momentane Defizite ausgleichen. «Wenn ich mich nicht gut konzentrieren kann, weil ich übermüdet bin, wird dieser Mangel teilweise behoben. Ich bin dann aber nicht konzentrierter, als wenn ich ausgeschlafen wäre.» Quednow weist auf die Gefahr einer Abhängigkeit oder einer Überdosierung hin. Mit zu viel Methylphenidat etwa sei man nicht fokussierter, sondern nervös und ablenkbar. «Die Leistung nimmt dann eher ab.»

«Ich beobachte einzig, dass an der Uni und an der ETH unheimlich viel Kaffee getrunken wird. Vor den Prüfungsphasen schlucken viele Studierende Vitamintabletten und Medikamente, um sich vor Erkältungen zu schützen.» – Isaias Moser, Co-Präsident VSUZH

Der Experte relativiert also die Annahmen über die Verbreitung von sogenannten Neuroenhancern – von Substanzen, die leistungsfördernd wirken sollen. Wie sieht das Isaias Moser, der Co-Präsident des Verbandes der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH)? Er studiert selber Philosophie und Politikwissenschaften und sagt, der Konsum von illegalen Aufputschmitteln sei in seinen Kreisen kein Thema. «Ich beobachte einzig, dass an der Uni und an der ETH unheimlich viel Kaffee getrunken wird. Vor den Prüfungsphasen schlucken viele Studierende Vitamintabletten und Medikamente, um sich vor Erkältungen zu schützen.»

Angst vor dem Versagen

Der Co-Präsident des Studierendenverbandes gibt zu bedenken, dass der Druck je nach Studienrichtung unterschiedlich hoch ist. Während es in einigen Fächern nur wenige Pflichtmodule gibt, kann die Präsenz in anderen Fächern für das Weiterkommen entscheidend sein.

Cornelia Beck ist die Leiterin der psychologischen Beratungsstelle für Studierende der Universität Zürich und der ETH. Sie sagt, Fragen zu Stimulanzien würden nur vereinzelt an sie herangetragen. «Die Angst vor Prüfungen und vor dem Versagen beschäftigt jedoch viele Studentinnen und Studenten.» Hin und wieder werde eine drohende Abhängigkeit von Cannabis thematisiert, sagt Beck. Von dieser Substanz erhofften sich die jungen Leute eine beruhigende Wirkung in stressigen Zeiten.

Auch die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) betreibt eine psychologische Beratungsstelle. Deren Leiterin Imke Knafla sagt, konkrete Hinweise auf den Konsum von illegalen Substanzen habe sie nicht; sie wisse auch nur vom Hörensagen, dass an Hochschulen angeblich mit Ritalintabletten gedealt werde. «Viele Studierende leiden unter dem Leistungsdruck», sagt bestätigend auch Knafla. «Ein Problem sind vor allem für Absolventen berufsbegleitender Ausbildungen Doppel- und Dreifachbelastungen durch Studium, Familie und Arbeit.»

Nicht besser, aber länger

Imke Knafla von der ZHAW rät Studierenden mit Prüfungsangst, in erster Linie genügend zu schlafen. «Sie sagen mir dann, während der Prüfungsphase hätten sie nicht genug Zeit dafür.» Einzelne greifen zu Koffeintabletten, trinken mehr Kaffee oder Grüntee.

Mit Grüntee hält sich in strengen Zeiten auch der Pharmakopsychologe Boris Quednow von der Universität Zürich geistig fit. Er trinkt eine grosse Tasse Tee, wenn er nach sechs Stunden Arbeit an einer Publikation müde wird. Hin und wieder fragt er sich, wie gross der Placeboeffekt ist. «Ich halte dann zwei weitere Stunden durch – ich schreibe also länger, aber nicht unbedingt besser.»

12 Geheimnisse – ein NZZ-Podcast

ekk. · In der neuen Folge des Audio-Podcasts «12 Geheimnisse, die das Leben verändern» geht es um LSD-Microdosing zur angeblichen Leistungssteigerung. Die Podcast-Serie beschäftigt sich mit dem Trend der Selbstoptimierung. Viele Menschen wollen erfolgreicher und glücklicher, schöner und fitter werden. Im Podcast kommen Personen zu Wort, die ihr Leben optimieren. Sie schwören auf Schönheitsoperationen, ernähren sich gesund oder treiben viel Sport. Zudem erzählen Menschen, wie sie durch Krisen erst gelernt hätten, was wichtig für sie sei. Hören und abonnieren Sie den zwölfteiligen Podcast unter www.nzz.ch/podcast oder auf allen Podcast-Apps auf dem Smartphone.

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