Neue molekulare Sonden für Opioid-Rezeptoren

26.03.2020 - Deutschland

Für die Verbesserung der Schmerztherapie könnte es ein wichtiger Fortschritt sein: Dank neu entwickelter molekularer Sonden lässt sich das Verhalten einzelner Opioid-Rezeptoren jetzt sehr genau untersuchen.

Scigraphix

Mit speziellen Liganden ließ sich nachweisen, dass Opioid-Rezeptoren auch als Zweierpaare in der Zellmembran vorliegen.

Starke Schmerzmittel sind bei der Therapie von Krebs und Herzinfarkten sowie in der operativen Medizin sehr wichtig. Sie entfalten ihre Wirkung, indem sie im Körper an die sogenannten Opioid-Rezeptoren binden.

Diese Schmerzmittel haben eine hervorragende Wirksamkeit, aber auch schwere Nebenwirkungen. Da ist zum einen die Gefahr der Abhängigkeit, zum anderen kommt es bei den Patientinnen und Patienten zur Toleranz – bei wiederholter Anwendung lässt die Wirksamkeit der Mittel nach. Das bedeutet, dass die Dosis über die Zeit immer weiter erhöht werden muss, um die gleiche Wirkung zu erzielen.

Grundlagenforschung über Opioid-Rezeptoren

Schmerzmittel mit weniger drastischen unerwünschten Wirkungen bei gleich guter Wirksamkeit wären darum sehr wünschenswert. Auf diesem Gebiet forscht Michael Decker, Professor für Pharmazeutische und Medizinische Chemie an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Sein Team will unter anderem das Grundlagenwissen über die Opioid-Rezeptoren erweitern.

Neuigkeiten auf diesem Gebiet stellt Decker nun in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ gemeinsam mit Sébastien Granier vom Institut de Génomique Fonctionelle in Montpellier, Peter Gmeiner von der Universität Erlangen-Nürnberg und insbesondere Professor Davide Calebiro von der Universität Birmingham vor. An der Arbeit beteiligt waren außerdem die JMU-Promovierenden Christian Gentzsch, Kerstin Seier und Antonios Drakopoulos.

Die Rezeptoren bilden auch kurzlebige Paare

Das Team hat sich mit einer Frage befasst, die in der Wissenschaft bislang kontrovers diskutiert wird. „Bis jetzt ist unklar, ob die schmerzstillende Wirkung von einzelnen Opioid-Rezeptoren vermittelt wird oder ob es dafür nötig ist, dass sich die Rezeptoren zu Paaren oder größeren Verbünden aggregieren“, erklärt Decker. Für all diese Möglichkeiten seien schon Belege gefunden worden.

„Unsere Ergebnisse dürften die bisher widersprüchlichen Annahmen nun versöhnen“, sagt Davide Calebiro, der bis vor kurzem an der JMU geforscht hat. „Tatsächlich liegen die meisten Opioid-Rezeptoren einzeln in der Zellmembran vor. Ein kleiner Teil bildet aber Zweierpaare. Deren Lebensdauer ist zwar sehr kurz, aber sie sind statistisch signifikant nachweisbar.“

Zeitschrift stuft Arbeit als „Highly Important“ ein

Dieser Befund könnte sehr wichtig sein: „Es gibt Hinweise darauf, dass die Rezeptorpaare andere pharmakologische Wirkungen haben als einzelne Rezeptoren“, sagt Decker. Darum könnten auf Basis dieses Wissens vielleicht neue Schmerzmittel entwickelt werden, die ein günstigeres Wirkprofil besitzen.

Wegen der hohen Bedeutung dieser neuen Erkenntnisse hat „Angewandte Chemie“ die Veröffentlichung der JMU-Forscher als „Highly Important“ eingestuft; der Artikel ist im Web frei zugänglich. Außerdem wurde die Arbeit für eines der Zeitschriftencover ausgewählt.

Hochselektive Liganden entwickelt

Zu seinem Ergebnis kam das Forschungsteam, weil es zuvor hochselektive Fluoreszenzliganden für einen Subtypen der Rezeptoren entwickelt hat, für den sogenannten mu-Opioid-Rezeptor (MOR). Dieser ist der wichtigste der drei Rezeptor-Subtypen. An ihm wird die gewünschte schmerzstillende, aber auch die suchterzeugende Wirkung ausgelöst. Die neuen Liganden kann man als molekulare Sonden nutzen, um den Rezeptor hochspezifisch zu kennzeichnen und sein Verhalten mittels Einzelmolekül-Fluoreszenzmikroskopie in lebenden Zellen zu beobachten.

Nun arbeiten die Forscher daran, auch für die beiden anderen Rezeptor-Subtypen (delta und kappa; DOR und KOR) fluoreszierende Liganden herzustellen, um deren Verhalten in der Zellmembran ebenfalls zu analysieren. Beim KOR ist das bereits gelungen (A. Drakopoulos et al., Journal of Medicinal Chemistry 2020, im Druck).

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