Modularisierung: Der MTP-Standard ermöglicht zahlreiche Anwendungen
Wandlungsfähige, modulare Anlagen sind eine Antwort der Prozessindustrie auf sich laufend ändernde Marktanforderungen. Besonders gefragt sind flexible technische Lösungen zur Automatisierung modularer Anlagen – erst mit ihnen kann ein modularer Anlagenbau konsequent umgesetzt werden. Das Konzept „Module Type Package“ (MTP) gibt den einzelnen Modulen eine digitale Beschreibung und ermöglicht deren flexible Verbindung und Orchestrierung. Die Produktionskapazität kann durch das Hinzufügen von MTP-ready-Modulen erhöht werden, eine flexible Rekonfiguration erlaubt die Produktion verschiedener Produkte.
MTP: herstellerunabhängig und flexibel
Das MTP-Konzept (Abb. 1) sieht vor, autarke Module (sog. Process Equipment Assemblies (PEA)) herstellerunabhängig und flexibel in die Prozessleitebene integrieren zu können. Basis des Ansatzes ist die digitale Beschreibung (der digitale Zwilling) über Aufbau und verfügbare Funktionen der Module Type Packages (MTP) einschließlich der Schnittstelle zum übergeordneten Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA).
Eine wichtige Voraussetzung zur Integration der MTP-Module ist eine MTP-fähige Prozessleitebene. Dazu braucht das SCADA-System eine einheitliche und übergeordnete Oberfläche, die die Orchestrierung der Module ermöglicht. Diese Ebene wird als Process Orchestration Layer (POL) oder als „virtual shopfloor“ bezeichnet. Der Datenaustausch zwischen Modulen und der Orchestrierungsebene erfolgt im Betrieb über die genormte Schnittstelle OPC Unified Architecture (OPC UA).
Neue Anwendungsmöglichkeiten
Welche Anwendungsmöglichkeiten eröffnen sich nun durch die Entwicklung des MTP-Standards? Besonders in der Prozesstechnik, in der unterschiedlichste Geräte und Funktionen zur Produktherstellung automatisiert werden.
Produktionseinheiten (z. B. Bioreaktoren oder Ansatzbehälter) benötigen Funktionen wie Rühren, Dosieren, Temperieren, Umwälzen, pH-Wert einstellen usw. sowie die entsprechende Sensorik und Aktorik. Als kleinste funktionale Einheit – Functional Equipment Assembly (FEA) genannt – sind sie entweder Bestandteil einer komplexeren Einheit (PEA), oder aber sie bilden als eigenständige PEA eine Einheit mit eigener Steuerung. Bei der Planung und Ausrüstung der Module geht es v. a. um den „Goldenen Schnitt“, die Zuordnung der Aktoren, Sensoren und Funktionen (Phasen) zu den einzelnen Modulen unter Berücksichtigung ihrer vielseitigen Verwendungs- und Verbindungsmöglichkeiten.
Off-the-Shelf-Equipment – kundenspezifisch angepasst
Oft verwendete, kleine funktionale Baugruppen könnten mechanisch vorgefertigt und elektrisch instrumentiert werden. Im Bedarfsfall lassen sie sich mit dem entsprechenden Standard-Softwaremodul rasch in eine neukonfigurierte PEA integrieren – oder als eigenständige PEA ausführen (providing „customized design converted into standard“).
Ein konkretes Beispiel: Ein Stück Rohr mit Regelventil(en) und Durchflussmessung (FQIC) bzw. Wiegezellenanschluss kann entweder als FEA direkt an einen Reaktor angeflanscht oder zu einer eigenständigen Dosierstation für mobile Behälter als PEA aufgebaut werden. Ebenso können Rührer, Umwälzpumpen und ganze Ventilkombinationen – sog. Baugruppen – vorgefertigt werden. Als Off-the-Shelf-Equipment können sie nach Bedarf und Kundenwunsch kombiniert und in die Anlage integriert werden.
Flexibler Einsatz je nach Bedarf
Mit der geeigneten Verbindungstechnik (z. B. Schnellverschlüssen) können PEAs kundenspezifisch aus einzelnen FEAs zusammengesetzt und dank MTP als Standardmodule ausgeführt werden.
Jeder FEA ist dabei ein logisches Softwaremodul zugeordnet. Die Steuerung dieser Standard-Softwaremodule erfolgt über den PEA-Controller. Dieser stellt auch die Schnittstelle zum übergeordneten Batch-, Bedien- und Beobachtungssystem (HMI bzw. POL) dar, welches entsprechend dem MTP-Standard ausgeführt wird. Aktoren und Sensoren lassen sich als FEAs also schnell an den PEA-Controller anschließen (z. B. über einen IO-Link) und deren Funktionen kann man während des Betriebs aus der POL-/Batchebene steuern.
MTP schafft somit die Grundlage für den flexiblen Einsatz mobiler Fertigungseinheiten und Module auf dem Shopfloor und ermöglicht eine flexible Fertigungsstrategie im Sinne von Assembly on Demand und Off-the-Shelf-Equipment (Abb. 2). Die Integration modularer Einheiten in übergeordnete Systeme wie SCADA oder Manufacturing Execution System (MES) wird durch den MTP-Standard vereinfacht. Gleichzeitig spielt dieser eine wichtige Rolle auf dem Gebiet der IT-/Operational-Technology(OT)-Integration.
Durch eine modulare Bauweise wird zudem die Fertigung effizienter gestaltet, wodurch kürzere Lieferzeiten möglich werden. Standardmodule in gängigen Größen werden über einen „Skid-Konfigurator“ (ähnlich einem Konfigurator für neue PKWs) je nach Kundenanforderung erstellt.
Equipment as a Service (EaaS) – powered by MTP
Das EaaS-Vertriebsmodell sieht vor, ein Gerät oder Produktionssystem gegen eine Leihgebühr für die Dauer der Überlassung bereitzustellen, statt es zu verkaufen. Der Vermieter des Equipments ist verantwortlich für Wartung, Service, Reparaturen und Ersatzteile. Der Vorteil für den Endkunden ist, Investitionsausgaben zu sparen und auf optimales Produktionsequipment zugreifen zu können. Der MTP-Standard erhöht die Flexibilität enorm und eröffnet ein breites Feld an Möglichkeiten. So können z. B. kundenspezifisch bestückte Reinraumcontainer – evtl. in Kombination mit einem weiteren Utility Container – mit individuellen Setups zur Miete angeboten werden. Dies ermöglicht eine temporäre Auslagerung von Produktionen oder Entwicklungsprozessen. Ausgerüstet mit einem geeigneten Data-Science-System und ganz im Sinne eines Digital Twin können die gewonnenen Parameter und erprobten Setups die Grundlage für die rasche Entwicklung künftiger Produkte und Produktionslinien darstellen und dadurch eine Beschleunigung der Time-to-Market unterstützen.
Weitere Informationen:
Christian Schall
IT/OT-Integration
ZETA GmbH
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