Page 14 - pharmind Ausgabe 5/2021
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                               Aus Wissenschaft und Forschung








                  n Abbildung 1                                                     stärker auswirken [4]? Es gibt Fische
                                                                                    mit ausgeprägten Lippen und solche
                                                                                    ohne  Lippen,  goldfarbene  und
                                                                                    schwarzweiße Fische; Fische, die
                                                                                    sich von anderen durch besonders
                                                                                    schlanke Körper oder durch be-
                                                                                    stimmte zarte oder robuste Zahn-
                                                                                    formen unterscheiden. Die ausge-
                                                                                    prägten Farbunterschiede bei Fi-
                                                                                    schen der Gattung Amphilophus,
                                                                                    die mal zu Tieren mit schwarzer
                                                                                    Grundfarbe geführt haben, mal zu
                                                                                    solchen mit einer goldgelben Fär-
                                                                                    bung, haben ihnen ihren englischen
                                                                                    Namen gegeben: Midas-Cichliden,
                                                                                    nach dem sagenhaften König, des-
                                                                                    sen Berührung alles in Gold verwan-
                                                                                    delte (Abb. 1).
                                                                                      Die Untersuchung sehr junger Ar-
                                                                                    ten von Buntbarschen der Gattung
                                                                                    Amphilophus, die von Mexiko bis
                  Brutpflegendes Pärchen von Amphilophus xiloaensis aus dem kleinen Xiloá-Kratersee.  Panama in Flüssen und in großen
                  Tiere dieser Gattung erreichen bis zu ca. 30 cm Körperlänge, sind hochrückig und  Seen und Kraterseen in Nicaragua
                  seitlich abgeflacht. Alte Männchen sind deutlich größer als die Weibchen und
                  entwickeln oft einen charakteristischen und stark ausgeprägten Stirnbuckel. Die  leben, hat gezeigt, dass viele dieser
                  Offenbrüter bilden eine Elternfamilie und bewachen intensiv ihre Gelege und die  Arten oft nur wenige Hundert Gene-
                  geschlüpften Jungfische. Bei der häufig in Aquarien gepflegten Art A. citrinellus wurde  rationen alt sind. Entsprechend ei-  Nur für den privaten oder firmeninternen Gebrauch / For private or internal cooperate use only
                  beobachtet, dass die Jungtiere vom Körperschleim der Eltern fressen, der hohe  nem Alter bis zu wenigen Hundert
                  Konzentrationen an Prolactin, Wachstumshormon und Thyroxin enthält; er ist also dem  oder einigen Tausend Jahren. Ob-
                  Kolostrum der Säugetiere vergleichbar. Die beiden Elterntiere der Abbildung zeigen die  wohl alle Fische von 453 untersuch-
                  Merkmale Schwarz-Gold-Farbdimorphismus und Wulstlippen (Quelle der Abbildung:
                  Universität Konstanz, Ad Konings [6]).                            ten Arten von denselben älteren
                                                                                    Ursprungspopulationen aus den bei-
                  Raubfische, Schneckenfresser, Al-  zähne. Diese vom fünften Kiemen-  den großen Seen Nicaraguas ab-
                  genfresser, Zooplankton- und De-  bogen abgeleiteten Zähne können in  stammen, dem Managua- und dem
                  tritusfresser. All diese Nahrungsspe-  ihrer Struktur enorm variieren und  Nicaragua-See, finden sich in jedem
                  zialisten haben sich, in geologisch  den einzelnen Arten somit die un-  einzelnen der kleinen Kraterseen
                  kurzer Zeit parallel und in Bezug auf  terschiedlichsten Nahrungsquellen  Fischpopulationen oder gar kleinere
                  ihre Ernährung, aus relativ gering  erschließen. Es müssen aber weitere  Artenkomplexe von mehreren Arten,
                  spezialisierten  Flussarten  entwi-  reproduktive Spezialisierungen hin-  die ausschließlich in diesem Krater-
                  ckelt. Man spricht hier von Arten-  zukommen, etwa die enorme Varia-  see leben. Mit speziellen äußerli-
                  schwärmen (Species Flocks), Grup-  tion in den Farbmustern der Männ-  chen Unterschieden, die sich z. T. in
                  pen sehr ähnlicher Arten, die sich  chen und die sexuelle Selektion  mehreren Seen sehr ähnlich finden,
                  aus einer gemeinsamen Stammform  durch die Weibchen, die die Arten-  also mehrfach unabhängig entstan-
                  gebildet haben und im selben Gebiet  diversifizierung derart auf die Spitze  den zu sein scheinen [5]. Nach Aus-
                  koexistieren. Molekularbiologische  getrieben haben. Cichliden liefern  wertung eines umfangreichen gene-
                  Studien haben gezeigt, dass im Ma-  also Beispiele dafür, wie sexuelle Se-  tischen Datensatzes zeigte sich, dass
                  lawi- und im Viktoria-See alle der je-  lektion in kleinen Populationen zu  die evolutionäre Diversifizierung ei-
                  weils über 500 Cichliden-Arten von  sympatrischer Artbildung  führen  ner Population im selben geografi-
                  einer einzigen Stammart abgeleitet  kann.                         schen Gebiet zu einer neuen Art
                  sind. Diese extreme Diversifizierung,  Wie aber spiegelt sich das im Ge-  wahrscheinlicher ist, wenn viele Ge-
                  wie man sie nur von Cichliden    nom wider? Gibt es nur einige weni-  ne im gesamten Genom daran betei-
                  kennt, wurde daher als Cichliden-  ge genetische Unterschiede, die sich  ligt sind, artunterscheidende Anpas-
                  Problem bezeichnet. Sie geht u. a.  aber in relativ deutlichen morpholo-  sungen hervorzubringen.
                  auf eine morphologische Besonder-  gischen Änderungen zeigen können  Durch Sequenzierung von über
                  heit dieser Tiere zurück: Sie haben  oder sind es eher viele kleine geneti-  450 Fischgenomen, Kreuzungsexpe-
                  außer den normalen Zähnen im Kie-  sche Unterschiede, die sich dann  rimente und sog. genomweite Asso-
                  fer noch weitere hintere Schlund-  aber in einer Synergie gemeinsam  ziationsanalyse (GWA) konnten Axel


                                                                                            Pharm. Ind. 83, Nr. 5, 588–591 (2021)
                  590    pharmind • Aus Wissenschaft und Forschung                  © ECV • Editio Cantor Verlag, Aulendorf (Germany)
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