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    Arzneipolitik

    2016 muss ein Jahr der Taten werden

    Statements der Verbände

    Henning Fahrenkamp · Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI)
    Henning Fahrenkamp

    Das Jahr 2015 war in arzneimittelpolitischer Hinsicht zum einen von der Fortsetzung der Belastungen der pharmazeutischen Industrie, hier seien beispielhaft nur Preismoratorium und erweitertes Preismoratorium genannt, zum anderen aber auch von Dialog, von der gemeinsamen Absicht, die Situation des Pharmastandorts Deutschland zu verbessern, geprägt. Das Jahr 2016 muss aus meiner Sicht nun ein Jahr der Taten, des Umsetzens werden. Die im Pharmadialog aufgeworfenen Probleme müssen angegangen werden, damit Entwicklung und Produktion am Pharmastandort Deutschland erhalten und gestärkt werden und die qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten in unserem Land dauerhaft gesichert werden kann. So wurden neben dem GKV-Budget z. B. auch die Themen Wertschöpfung und Innovationsfähigkeit der Arzneimittelindustrie diskutiert. Jetzt müssen wir zu echten Ergebnissen kommen. Und dann müssen vonseiten des Gesetzgebers Taten folgen, denn die Zeit drängt.

    Pharmastandort Deutschland steht unter Druck

    Die pharmazeutische Industrie am Standort Deutschland ist nach wie vor großen finanziellen Belastungen ausgesetzt, die gesundheitspolitisch auch so beabsichtigt sind. So zeigen die aktuellen Pharmadaten des BPI, dass die Hersteller sowohl von RX- als auch von OTC-Arzneimitteln allein im Jahr 2014 Zwangsabschläge von rund 1,6 Mrd. Euro an die gesetzliche Krankenversicherung und darüber hinaus weitere 300 Mio. Euro an die private Krankenversicherung geleistet haben. Allein seit 2011 schlagen die gesamten abgeführten Zwangsrabatte in allen Marktsegmenten mit rund 11 Mrd. Euro zu Buche. Bei OTC-Herstellern wurde der Zwangsabschlag sogar von 6 auf 7 % erhöht. Als weiterer Beitrag zur Stabilisierung des GKV-Systems sind die zahlreichen Rabattverträge zu nennen, die mit den Krankenkassen verhandelt worden sind. Für das Jahr 2014 sprechen wir hier über Einsparungen von rund 3,2 Mrd. Euro. Keine Frage, dass gerade standortgebundene mittelständische Pharmaunternehmen, die rund 95 % des Industriezweigs ausmachen, unter diesen enormen Belastungen leiden. Und außerdem gibt es ja noch weitere Regulierungsmaßnahmen zur Kostendämpfung: Festbeträge, Erstattungsbeträge nach dem AMNOG-Prozess und das unverändert bestehende Preismoratorium mit einer Preisbasis vom 01.08.2009 machen den Unternehmen zu schaffen. Zugleich steigen die Kosten für Personal und Rohstoffe stetig an. Doch damit nicht genug, auch die regulatorischen Auflagen, z. B. im Bereich der Pharmakovigilanz, nehmen zu und erhöhen den Kostendruck auf die Hersteller. Und die Kosten können vor dem Hintergrund der anderen genannten Belastungen und aufgrund des Preismoratoriums nicht wie in jedem anderen Wirtschaftsbereich auf die Produkte umgelegt werden. Die pharmazeutischen Hersteller in Deutschland müssen dringend entlastet werden, um im internationalen Wettbewerb weiter mithalten zu können.

    Versorgung sichern und verbessern

    Es geht, das ist noch einmal wichtig zu betonen, um die Leistungsfähigkeit des gesamten Pharmastandorts Deutschland. Es muss in unser aller Interesse sein, die qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung in Deutschland auch in Zukunft zu gewährleisten, dazu braucht es eine starke industrielle Basis. Und dafür bedarf es nicht zuletzt umfassender Änderungen beim AMNOG. Aus unserer Sicht ist es fünf Jahre nach der Gesetzesverabschiedung nicht zu einer Verbesserung der Versorgung gekommen. Im Gegenteil: Das AMNOG, das ja immer gerne als „lernendes System“ bezeichnet wird, führt dazu, dass positiv bewertete Innovationen in beträchtlicher Zahl gar nicht oder nicht dauerhaft bei den Patientinnen und Patienten in Deutschland ankommen. Eine im Auftrag des BPI erstellte Analyse der Gesundheitsökonomen Prof. Cassel und Prof. Ulrich zum Versorgungsgrad von 2012 bis 2014 mit „beträchtlichem Zusatznutzen“ bewerteter Präparate ist ernüchternd. Nur in einem Fall werden knapp 95 % der sich aus dem Nutzendossier für die Zielpopulation ergebenden Verordnungsmenge und damit das Versorgungsziel erreicht. Für vier weitere betrachtete Präparate liegt dieser Grad bei rund 21 %, 15 %, 13 % und in einem Fall sogar bei nur 3,5 %. Analysen des BPI auf Basis neuester Daten zeigen zudem, dass das AMNOG die in Deutschland verfügbaren Arzneimittel reduziert: durch Marktrücknahmen und die Vermeidung von Einführungen in Deutschland. Rund 20 % der bisher bewerteten Arzneimittel sind vom Markt verschwunden. Gleichzeitig hat sich die Zahl der europäisch zugelassenen Präparate, die in Deutschland gar nicht erst eingeführt werden, seit dem AMNOG von 5 auf 23 % erhöht. Fatal ist, dass durch das AMNOG insbesondere Innovationen gegen chronische Erkrankungen auf der Strecke bleiben, weil ihnen aufgrund der Bewertungsmethodik häufig kein Zusatznutzen zugesprochen wird. Zudem werden die Erstattungsbeträge im Ergebnis des 14. SGB-V-Änderungsgesetzes veröffentlicht und beeinflussen damit die internationale Preisbildung.

    Forschung an bewährten Wirkstoffen nicht behindern

    Weitgehend ignoriert wird außerdem der Stellenwert von Innovationen auf Basis bewährter Wirkstoffe: Neue Darreichungsformen, die Erschließung neuer Applikationswege, andere Dosierungen, die Weiterentwicklung bewährter Wirkstoffe für neue Indikationen oder andere Patientengruppen seien hier nur beispielhaft genannt. Welchen Stellenwert derartige Entwicklungen haben können, zeigt das Beispiel Propranolol beim infantilen Hämangiom: Das Präparat konnte als erstes einen erheblichen Zusatznutzen in der AMNOG-Bewertung zeigen. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Innovationen auf Basis bewährter Wirkstoffe – da es sich um bekannte und z. T. bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt befindliche Wirkstoffe handelt – ins Festbetragssystem eingeordnet werden. Dieser Umstand bremst die Innovationsdynamik zu Lasten der Patienten massiv, da die Refinanzierung der F&E-Aufwendungen häufig unter diesen Bedingungen nicht darstellbar ist. Vom wirtschaftspolitischen Blickwinkel her betrachtet ist dies fatal, denn dieser Innovationstyp ist für den Mittelstand, der den Großteil der Branche in Deutschland ausmacht und wirtschaftlich wesentlich vom Heimatmarkt abhängt, von erheblicher Bedeutung für die Weiterentwicklung des Produktportfolios. Und er ist wichtig für Patientinnen und Patienten, da Arzneimittel z. B. besser verträglich gemacht werden oder deren Compliance verbessern. Kurz: Die Politik tut gut daran, die Forschung auf Basis bewährter Wirkstoffe nicht zu behindern, sondern im Gegenteil zu fördern. Dies gilt übrigens auch im OTC-Bereich. Für Arzneimittel, die für den OTC-Markt entwickelt werden, muss ein Opt-out aus der GKV-Erstattung und der frühen Nutzenbewertung möglich sein. Denn wenn z. B. ein neuer Pflanzenextrakt als neuer Wirkstoff eingeordnet würde, dann unterfiele er der Verschreibungs-, und wenn kein Lifestyle-Produkt, auch der Erstattungspflicht und damit auch dem AMNOG und der frühen Nutzenbewertung – und das bei einem Produkt, das für den Selbstmedikationsmarkt entwickelt wurde und dort später positioniert werden soll.

    Primat von Kostendämpfung und Überregulierung beenden

    Ich habe hier nur einige von vielen arzneimittelpolitischen Baustellen benannt, die auch im neuen Jahr 2016 noch bestehen und bei denen aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf besteht. Wir als pharmazeutische Industrie in Deutschland stehen aufgrund der angespannten Situation vor großen Herausforderungen: Aufwand und Ertrag werden immer stärker losgelöst voneinander betrachtet. Hersteller, die mit stetig wachsenden Anforderungen und Auflagen und damit mit stetig wachsenden Kosten bei gleichzeitiger Deckelung der Erträge konfrontiert werden, haben immer weniger unternehmerische Spielräume zur Refinanzierung ihrer Produkte. Dies wird, das ist absehbar, zu einer weiteren Verengung der Anbieterstrukturen führen. Dadurch könnten dann – wie bereits mehrfach geschehen – z. B. auch Hersteller für Produkte wegfallen, die weltweiten Lieferengpässen ausgesetzt sind und diese verschärfen. Diese Beispiele zeigen die Herausforderungen für den Pharmastandort Deutschland und die Sicherstellung der Versorgung. Lieferschwierigkeiten sind, das wissen die Beteiligten längst, ein komplexes, oftmals Kontinente übergreifendes Problem, das nicht durch scheinbar einfache Lösungen wie z. B. Meldepflichten aus der Welt geschafft werden kann. Hier müssen alle Beteiligte im Gesundheitswesen an einem Strang ziehen und konstruktiv zusammenarbeiten. Vor allem aber gilt es, dafür zu sorgen, dass die Arzneimittelproduktion am Standort Deutschland gestärkt wird. Das Primat von Kostendämpfung und Überregulierung trägt dazu sicher nicht bei, wir müssen endlich neue Wege beschreiten.

    Originaldokument