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    Vom Pharmadialog zum AM-VSG

    Statements der Verbände

    Birgit Fischer · Hauptgeschäftsführerin des vfa – Die forschenden Pharmaunternehmen
    Birgit Fischer

    Für die forschenden Pharma-Unternehmen gab es, nach Jahren der relativen Ruhe im Gesetzgebungsverfahren, im Jahr 2016 v. a. ein wichtiges Ereignis: Die Resultate des Pharmadialogs sollten in ein neues Gesetz gegossen werden, das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG).

    Dabei zeigte sich, dass sich der Gesetzgeber weniger an die Verabredungen des Pharmadialogs halten wollte als vielmehr an die Einflüsterungen der gesetzlichen Krankenkassen. Denn im Pharmadialog hatte man niemals über die Verlängerung des Zwangsrabatts, der unsere Branche seit langem belastet, gesprochen. Und auch anderes las sich im Abschlussbericht des Pharmadialogs nicht so, wie es nun im Referentenentwurf und dann später im Kabinettsentwurf formuliert wurde.

    „Arzneimittelversorgungsstärkung“? Dieses Gesetz ist auf dem Weg, nur ein weiteres Spargesetz zu werden – ohne dass es dazu irgendeine Veranlassung gäbe, denn die Kassen der Krankenkassen sind prall gefüllt! Und die Preise neuer Arzneimittel sind inzwischen ohnehin stärker als in ganz Europa nach unten reguliert.

    Jetzt wäre also die Gelegenheit, die Patientenversorgung in Deutschland wirklich zu stärken und Schwachstellen zu beseitigen. Denn die gibt es – leider – in der Praxis immer häufiger.

    Es drohen Verordnungsausschlüsse für medizinisch nützliche Therapien

    Der Entwurf zum AM-VSG überträgt die rein ökonomische Sicht des AMNOG sogar auf Versorgungsfragen. Unter dem Deckmantel der zu verhandelnden Preise, verbirgt sich längst eine drohende Verordnungseinschränkung bei medizinisch notwendigen Therapiealternativen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit der Verordnungsausschlüsse für Medikamente, deren „Zusatznutzen nicht belegt“ ist, nimmt den Ärzten wichtige Behandlungsalternativen. Bei Brust- oder Hautkrebs, Diabetes, Epilepsie, Multipler Sklerose oder psychischen Störungen sind sie dringend auf ein breites Spektrum von Behandlungsmöglichkeiten angewiesen. Wird ein Arzneimittel nicht vertragen oder wirkt es nicht, ist es gut, wenn Alternativen zur Verfügung stehen. Andernfalls sind individuell angepasste Therapien für Kassenpatienten bald illusionär. Für den Arzt geht es aber nicht nur um die Möglichkeit zur Verordnung. Mindestens genauso wichtig ist für ihn die Kenntnis von der Verordnungsfähigkeit. Deshalb ist die künftige Ausgestaltung des im AM-VSG geplanten Arztinformationssystems so bedeutsam. Es muss sachlich informieren und darf v. a. nicht durch die Art der Darstellung zu einer Benachteiligung der Therapiealternativen führen, deren gleichwertiger Nutzen zwar besteht, jedoch der „Zusatznutzen nicht belegt“ ist. Bei der Umsetzung des Arztinformationssystems droht sonst Rationierung durch die Hintertür. Der Gesetzgeber muss Vorgaben machen, wie und von wem das System gestaltet wird. Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen sind zumindest ebenso gut wie der vom G-BA benannte Versorgungsstandard. In bestimmten Therapiesituationen sind diese Arzneimittel sogar unentbehrlich oder besser geeignet als alle anderen. Sie direkt durch Verordnungsausschlüsse oder indirekt durch ein schlecht gemachtes Arztinformationssystem aus der Therapie zu drängen, wäre verantwortungslos. Patienten sind verschieden und brauchen unterschiedliche Behandlungsalternativen.

    Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen in der Versorgung

    Viele Medikamente, die ohne „nachgewiesenen Zusatznutzen“ das AMNOG-Verfahren durchlaufen haben, finden sich in den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften zu sehr unterschiedlichen Krankheiten wie z. B. Multiple Sklerose, Onkologie, Epilepsie, Diabetes Typ 2 oder Augenerkrankungen. Die Medikamente werden in Behandlungsleitlinien entweder als wertvolle therapeutische Alternative oder sogar als Therapeutikum ohne Behandlungsalternative empfohlen. Aus Sicht der Fachgesellschaften haben viele Arzneimittel, bei denen der G-BA einen Zusatznutzen als nicht nachgewiesen einstuft, also einen bedeutenden Patientennutzen und therapeutischen Stellenwert in der Versorgung. Es wäre daher gegenüber Patienten unverantwortlich, sie als „schlechte Medikamente“ zu diskriminieren und das AMNOG so umzugestalten, dass ihre Verordnungsfähigkeit eingeschränkt wird. Dies wäre eine Beschneidung wertvoller therapeutischer Alternativen des Arztes für seine Patienten, die zu einer Absenkung der Versorgungsqualität führen würde.

    Eine Nutzenbewertung ist keine Therapieempfehlung

    Im Gegensatz zu G-BA-Beschlüssen berücksichtigen die evidenzbasierten Leitlinien der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften die gesamte vorliegende Evidenz eines Therapiegebiets und beziehen mehr praxisrelevante Aspekte des klini-schen Alltags ein. Leitlinien vergleichen alle Therapieoptionen miteinander, um für jede Behandlungssituation die beste Option zu bestimmen. Sie haben also einen umfassenderen Ansatz als die „reduktionistischen“ Bewertungen des G-BA. Dessen Beschlüsse eignen sich deshalb nicht als Therapieempfehlung. Hinzu kommt, dass die Aufteilung der Patientengruppen, die der G-BA bei der Nutzenbewertung wählt, nicht unbedingt der Versorgungsperspektive des Arztes entspricht, wie sie die Leitlinien der Fachgesellschaften widerspiegeln. Die Nutzenbewertung ist eben nicht für die konkreten Behandlungssituationen des Arztes maßgeschneidert, sondern ausschließlich auf die Preisregulierung ausgerichtet. Oder anders gesagt: Eine Nutzenbewertung ist keine Therapieempfehlung!

    Beispiel: Multiple Sklerose

    Im Bereich Multiple Sklerose kam es seit Geltung des AMNOG mit der Einführung fünf neuer Arzneimittel zu einem starken Innovationsschub, der die Therapielandschaft grundsätzlich umgestaltete. Bisher verfügbare Medikamente mussten von Patienten regelmäßig gespritzt werden. Die daraus resultierenden Belastungen minderten die Therapiezufriedenheit. Jetzt können Patienten zum ersten Mal mit drei unterschiedlichen oralen Optionen behandelt werden. Zudem stehen zwei weitere Arzneimittel zur besseren symptomatischen Behandlung der MS zur Verfügung. Das sind wesentliche Fortschritte für Patienten. Doch bei fast allen MS-Arzneimitteln wurde der Zusatznutzen vom G-BA als nicht belegt eingestuft. Wichtige patienten- und praxisrelevante Aspekte, wie eine verbesserte Darreichungsform bzw. Therapiezufriedenheit, blieben unberücksichtigt. Das einzige Medikament mit akzeptiertem Zusatznutzen wird nur bei verhältnismäßig wenig Patienten eingesetzt, da es lediglich als Zweitlinientherapie bzw. bei schweren Krankheitsverläufen als Erstlinientherapie zugelassen wurde. Für die übergroße Mehrheit der MS-Patienten stehen demnach im Versorgungsalltag neue Behandlungsalternativen zur Verfügung, deren Zusatznutzen vom G-BA nicht anerkannt wurde. Unabhängig vom G-BA-Urteil wird jedoch seitens der Fachgesellschaften am hohen Patientennutzen dieser neuen Behandlungsalternativen nicht gezweifelt. Die neuen Arzneimittel werden deshalb alle in der DGN-Leitlinie empfohlen. Gleichwohl sieht der G-BA keinen Zusatznutzen.

    Wird das AM-VSG ein Versorgungsstärkungsgesetz?

    Es befindet sich eine große Anzahl neuer Arzneimittel in der Versorgung, deren Zusatznutzen als nicht belegt eingestuft wurde (bei 75  % aus formalen Gründen). Aus der klinischen Sicht der medizinischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften haben diese Arzneimittel aber einen bedeutenden Patientennutzen. Eine Einschränkung der Verordnungsfähigkeit solcher Arzneimittel durch das AM-VSG wäre nicht nachvollziehbar und erkennbar nicht im Interesse von Ärzten und Patienten. Genau so wenig wäre eine „Rationierung durch die Hintertür“ hilfreich, in der zwar theoretisch alles verordnungsfähig ist, praktisch aber in einem schlecht gemachten Arztinformationssystem nicht als solches erkennbar ist. Eine solche Entwicklung würde im Gesundheitssystem mit einer starken Absenkung des Standards und der Qualität der medizinischen Versorgung einhergehen.

    Ausblick 2017

    Es bleibt nur zu hoffen, dass dieses Szenario im Parlamentarischen Verfahren noch abgewendet wird. Ebenso, dass die nicht öffentliche Listung der Erstattungsbeträge zweckmäßig ausgestaltet wird. Die Tatsache, dass die deutschen Erstattungsbeträge im Ausland öffentlich bekannt sind, führt aktuell zu weiteren Versorgungsproblemen: Medikamente sind in Deutschland nach Verhandlung billiger als in einigen anderen Ländern und werden durch Parallelexport der deutschen Versorgung entzogen.

    Originaldokument